Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, Begegnungen und Erlebnissen (nicht nur) im Harz.
Entdeckungen im Miniaturpark Wernigerode
07.05.2022
Es gibt Sehenswürdigkeiten im Harz, besondere Ausflugsziele, zu denen würde ich wahrscheinlich nie allein aufbrechen,
um sie zu sehen oder etwas zu erleben. Keine Ahnung, warum. So ein Ziel ist der Miniaturpark in Wernigerode, nahe
dem Stadtrand gelegen und ein wenig umständlich zu erreichen. Als wir die Anlage endlich einmal besuchen wollten,
hätten wir Lily draußen im Auto „parken“ müssen. Keine Option, wir verzichteten. Das hätten wir unserer Hundelady
niemals angetan!
Es ist wieder einmal Wochenende. Lily gibt es nur noch in unseren Herzen und wir haben Besuch von den Enkelkindern:
Kindergeburtstag. Da ist diese Idee plötzlich wieder spruchreif und die Alternative, Schloss Wernigerode zu besuchen,
schnell verworfen. Die drei „Terroristen“ wollen den Miniaturpark sehen, die Großeltern fügen sich und die Eltern haben
ohnehin keine andere Chance. Auf dem kleinen Parkplatz, mit dem großen Schild „Miniatur- und Bürgerpark“, trifft sich
die Meute. Nach fünf Minuten Kartenpreisepoker sind wir drinnen.
Vor uns tut sich eine andere, eine Miniaturwelt auf. Der ganze „Kleine Harz“ auf einer Gesamtfläche von eineinhalb
Hektar, also locker zwei Fußballfelder, mit vielen Wegen zwischendrin. Wie im großen Harz, so muss der Besucher im
kleinen Harz auch ganz viele Schritte tun, um etwas zu sehen oder zu erleben. Nur die richtigen Berge, deren Besteigen
und der Blick auf abgestorbene Waldgebiete bleiben ihm erspart. Die lohnenden Ziele allerdings, vom Kaiserturm bei
Wernigerode bis zum Brockenplateau, die warten darauf, entdeckt, bewundert und beknipst zu werden.
Die Wanderung durch Liliputland beginnt gleich links hinter dem Einlass. Da steht in voller Pracht und Schönheit die
Kaiserpfalz von Goslar, einschließlich der Bronzefiguren vor dem Kaiserhaus. Da staunen alle drei Enkel und der Rock-
Rentner freut sich, weil er schon oft vor dem Original stand. Gleich neben der Kaiserpfalz hat die Mini-Ausgabe vom
Zwinger in Goslar einen Platz bekommen. Sein Original steht auf dem Thomaswall und war Teil einer Befestigungsanlage
im Süden der Stadt. Nur wenige Schritte weiter ist auch noch ein Modell der Kaiserworth von Goslar zu bestaunen. Aus
irgendeinem Grunde ist die alte Kaiserstadt, im westlichen Teil vom Harz, gleich am Beginn zu besonderen Ehren
gekommen. Ein Modell vom Besucherbergwerk Rammelsberg in Goslar und das vom Siemenshaus sind ebenfalls im
Eingansbereich positioniert worden. Ein Schelm (oder Ossi), der da Hintergedanken ausbrütet. Wer die Gelegenheit hat,
sollte die alte Kaiserstadt Goslar dennoch besuchen und sich an deren Schönheit erfreuen. Es lohnt sich wirklich, aber
lasst es an einem Wochenende.
Meine Füße tragen mich am Rathaus Harzgerode sowie am Rathaus und Schloss Blankenburg vorbei bis zu einer
Miniaturanlage, vor der man die Arbeit der Fels-Werke von Rübeland besichtigen kann. Da sind sogar die Gleise der
Bahnanbindung, um die Kalkprodukte in Richtung Halberstadt, und von dort zur weiteren Verarbeitung, transportieren
zu können, aufgebaut. Als ich öfter mal im Aussichtspavillon „Hoher Kleef“ stand, um über Rübeland hinweg zu
schauen, sah ich auch die Kalkbrüche im Original. Dieser Blick über Rübeland hinweg bis zum Brocken, ist traumhaft
schön, aber nur wenige Touristen finden den versteckten Pavillon im Harz. Dann erreiche ich den imposanten Nachbau
der Stiftskirche St. Servatius, welche Teil der Quedlinburger Altstadt ist. Dieses Modell ist wirklich beeindruckend und
ziemlich groß geraten. Hier kann man verweilen und die vielen filigran gestalteten Details bestaunen. Auf einer kleinen
Bank nebenan gönne ich mir eine Verschnaufpause, kann dabei die vielen Besucher beobachten und mich ärgern, die
Wanderhefte für die Stempel vergessen zu haben. Wer konnte aber auch ahnen, hier einen der begehrten Stempel
einsammeln zu können?
Danach erreiche ich jenen Teil der Anlage, der vor allem viele Kinder anzieht. Als erstes stehe ich am Bahnhof Gernrode.
Von hier fährt die originalgetreue Nachbildung der Brockenbahn zum Bahnhof von Drei Annen Hohne, wo sich die Mini-
Züge treffen und überholen können. An der Nachbildung drängeln sich die Besucher und auch meine drei Enkel können
sich vom Zugbetrieb kaum losreißen, gäbe es da nicht die Weiterführung der Strecke durch einen Tunnel bis zum
Bahnhof Westerntor in Wernigerode. Um dieses Modell kann man herum laufen und es von allen Seiten bestaunen und
warten, bis der Zug, aus dem Tunnel kommend, im Bahnhof einfährt. Doch das ist noch lange nicht alles!
Der Besucher dreht sich um und blickt von hier aus hinauf zum Brocken, der dem Original täuschend ähnlich sieht. Man
kommt aus dem Staunen einfach nicht raus, als dann auch noch die Brockenbahn zum Bahnhof Brocken, eine Schleife
um den Berg drehend, laut schnaufend und pfeifend hinauf fährt, wenig später auch wieder zurück kommt und in den
kleinen Bahnhof Drei Annen Hohne einfährt. Da ist die Illusion perfekt. Wie die vielen kleinen und großen Besucher, bin
auch ich total begeistert. Ich gönne mir eine weitere Bank-Sitzung, um all das Treiben am Traum von einer
„Eisenbahnplatte“ unter freiem Himmel beobachten zu können. Was für eine Faszination doch von diesem Kleinod
ausgeht und ich habe noch längst nicht alles gesehen.
Auf einem extra gestalteten Gelände sind markante Bauten aus Halberstadt en miniature aufgebaut. Im Zentrum stehen
natürlich der Dom St. Stephanus und St. Sixtus, an dem noch gebaut wird, sowie die gotische Stadtkirche St. Martini.
Aber auch das Jagdschloss Spiegelsberge, mit dem besten Blick auf die Stadt, das Kolpinghaus, das Gleimhaus und
weitere Gebäude sind hier zu entdecken. Ich kann mich dem Reiz dieser wunderschönen Nachbildungen kaum entziehen
und dabei habe ich noch längst nicht alles auf dem Gelände gefunden und bewundert.
Vor einem Ensemble mit dem kleinsten Haus von Wernigerode sowie einer Darstellung von Häusern in der Marktstrasse
bleibe ich stehen. Ich bewundere das schöne Haus Blume, das wir beim Wandern am Stadtrand Wernigerode, auf dem
Weg zum Armeleuteberg, entdeckten, und auf dessen hohem Gipfel der Kaiserturm (auch Rapunzelturm genannt) steht.
Der ist hier, zwischen Hecken versteckt, kaum zu finden ist. Vor dem Rathaus Quedlinburg verweile ich ebenso, wie vor
der Burg Falkenstein - und dann streiken meine Beine.
Neben einer Nachbildung von Schloss Wernigerode steht eine Bank im Sonnenlicht - meine! Der Blick geht geradeaus
direkt auf das Stadtensemble von Wernigerode, aber wie von Magie gelenkt, suchen die Augen die Kopie vom Schloss
Wernigerode auf einem Steinhügel. Es ist schier unglaublich, welche Faszination von diesem wunderschönen Modell
ausgeht. Neben der Brockenanlage ist diese Kopie des Wahrzeichens der Stadt so etwas wie der Höhepunkt im
Miniaturpark. Als ich dann davor stehe, dieses kleine Kunstwerk staunend betrachte, entdecke ich – von den Schöpfern
so gewollt oder nicht – weit im Hintergrund das Original, das sich über die Stadt erhebt. Mit einem einzigen Blick hat
man Original und Kopie im Visier. Was für ein toller Moment und welch unglaublich faszinierende Idee! Doch meine
Reise ist an dieser Stelle beendet. Von den sechzig Exponaten habe ich die meisten erkannt und auch gesehen. Viel
mehr wollen meine Beine jetzt nicht mehr anstellen. Nach über zwei Stunden ist es Zeit für die Mittagspause, sagt auch
mein Magen.
Nach drei köstlichen Scheiben Sülze mit Bratkartoffeln bin ich satt und fühle ich mich gestärkt. Dem Genuss von Speisen
folgt nun wieder Bewegung. Anlässlich der Landesgartenschau im Jahre 2006, hat man hinter dem Miniaturpark einen
Bürger- und Landschaftspark gestaltet. Neben der Gaststätte lockt eine Spiellandschaft die Kleinen, also auch meine
Enkelkinder, mit Klettergerüsten, Buddelkästen und Rutschen, sich auszutoben. Für die müden Gesellen und Rock-
Rentner hat der Gestalter Liegewippen auf die Wiese stellen lassen. Eine davon probiere ich aus und kann dabei über
meine Schuhspitzen zur Gaststätte schauen. Würden jetzt nicht drohend Wolken am Himmel aufziehen, wäre ich bereit
für ein kleines Nickerchen. Doch es kommt wieder mal anders.
Die Wolken ziehen vorbei und wir in die Natur hinter der Gaststätte. Hier blühen gerade Kirschbäume und jede Menge
bunte Blumen. Die Augen erfreuen sich an der Farbenvielfalt in vielen abgetrennten Bereichen. Im Schatten der Bäume
flaniert es sich angenehm, die aufgekratzte Kinderschar vergnügt sich in einem fantasievoll gestalteten Spielareal. Nach
fast fünf Stunden macht sich bei mir schließlich doch Müdigkeit bemerkbar und den alten Knochen ist nun auch etwas
Dynamik abhanden gekommen. Auf einer winzigen Bank, inmitten eines gelb, grün, roten Blütenmeeres, sinkt mein
Körper dahin (und ich hinterher). Uff, es reicht – Zick!
Neben einem Tiergehege für Esel, Ziegen und andere Tiere vergnügen sich inzwischen meine beiden Enkelsöhne an
Gerätschaften, mit denen man sich gegenseitig mit Wasser bespritzen kann. Bei beiden sind keinerlei Mängel an Energie
oder Schwächen zu erkennen. Die würden das Spiel ganz sicher noch bis in die Abendstunden ausdehnen. In diesen
Minuten wird der Himmel zum Verbündeten von Eltern und Großeltern. Mit wuchtigen Donnerschlägen läutet ein
aufziehendes Gewitter letztlich den Aufbruch Richtung Parkplatz ein. Als wir Minuten später auf Halberstadt zu fahren,
klatschen die ersten dicken Regentropfen auf die Frontscheibe und die Straße wird nass. Den einsetzenden Regenguss
nehme ich schon vom heimischen Balkon aus zur Kenntnis. Ein erlebnisreicher Tag im schönen Monat Mai und im Kreise
der Großfamilie wird in meiner Erinnerung einen bleibenden Platz einnehmen.